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150 Jahre Pietät Hayer

Ein Familienunternehmen feierte Jubiläum

1866 – 2016, das Jubiläumsjahr ist vorüber, Anlass noch einmal zurückzuschauen.

Mit großen Interesse haben wir die Familienchronik, die von Rudolf Meyer in akribischer Arbeit zusammengestellt wurde, studiert und viel Neues und Wissenswertes erfahren, so dass wir heute mehr über die „Heyers“ in Bürgel wissen. Auch die Schreibweise war eine neue und durchaus überraschende Erkenntnis, schrieben sich die Ahnen doch zunächst, wie weit verbreitet, mit „ey“ und erst im Laufe der Zeit wurde daraus , möglicherweise durch einen Schreibfehler, das „ay“. Begründete sich also ein kleines bisschen Namensstolz auf einen Schreibfehler?

Eine erste Erwähnung findet sich im „Bürgeler Einwohner- und Besitzstandsverzeichnis“ des Fürstlich Isenburgischen Archivs im Schloss Birstein:

Johannes und Elisabeth Heyer

Kinder: Georg und Katharina

Acker- und Wiesenfläche: 15 555 m2

Vieh: 3 Kühe, 1 Schwein

1 Behausung und ½ Scheuer ( Scheune )

 

In den folgenden Generationen findet man (durch Heirat) alte Bürgeler Namen, wie

Herth ( Herdt ), Kopp, Jöst oder Maith.

Haus und Hofreite befanden sich ursprünglich in der „Pfarrgasse“, unterhalb vom alten Pfarrhaus (heute Stiftstraße 16, Familie Schlachter). Im Jahre 1866 gründete Johannes Nikolaus Hayer, zusammen mit seiner Ehefrau Eva Barbara geborene Jöst, die Schreinerei.

 

 

Schon um die Jahrhundertwende unter dem Sohn Simon Hayer erlebte der Betrieb einen deutlichen Aufschwung. So wurden u.a. die Kirchenbänke des Neubaus der St. Pankratius Kirche gefertigt und in der Folge auch das Kirchengestühl der Hl.Geist Kirche in Rumpenheim. Aufgrund der Ansiedlung der Lederwerke Becker kam es zu einem Grundstückstausch zu der heutigen Adresse „ Am Maingarten 21“.

Der 2. Weltkrieg bedeutete, wie in den meisten Familien, einen tiefen Einschnitt, gerade auch für einen familiengeführten Handwerksbetrieb.

Mit dem allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung in den fünfziger Jahren kam auch die Schreinerei, Glaserei und Sarglager (wie die damalige Firmenbezeichnung lautete) wieder langsam auf die Beine. Fertigte man in den ersten Jahren nach Firmengründung die Särge nach genauem Maßnehmen der Leiche (Material war teuer, der Arbeitslohn dagegen vergleichsweise niedrig) noch in Einzelanfertigung, so wurde nach dem 1.Weltkrieg langsam umgestellt auf vorgefertigte und zunehmend auch auf industriell gefertigte Särge, so dass die Firma ein „reichhaltiges Sarglager“ (siehe auch Anzeige von 1932) anbieten konnte.

 

Etwa ab Mitte der 70er Jahre lag der Unternehmensschwerpunkt auf dem Bestattungsgewerbe, hatte sich die Branche schließlich längst von dem „Sargtischler", der sich noch rasch den Holzstaub aus den Kleidern klopfte und dann ins Trauerhaus kam, gelöst und zu einer eigenen Berufssparte entwickelt.

 

Nach den Vorstellungen des „alten Hayer“ sollte der Betrieb nach seinem Tod geschlossen werden. Aber es entwickelte sich dann doch anders als vorhergesehen, und so konnten wir im vergangenen Jahr 2016 mit Freude und auch mit ein bisschen Stolz auf 150 Jahre Familientradition zurückblicken und dieses Jubiläum mit zahlreichen Veranstaltungen, über das Jahr verteilt, feiern.

 

So war es im ersten Halbjahr die Autorenlesung „Ein Bestatter auf der Flucht“ mit Rainer Sowa, der besonders auch mit seinem spannenden Bericht über seine (Recherche- ) Reise mit einem alten 2 CV –Kastenwagen (Ente) fesselte, die ihn auf der sog. Seidenstraße von Deutschland über Tschechien, Österreich, Slowenien, Kroatien, Bosnien, Montenegro, Albanien, Mazedonien, Bulgarien, Griechenland, Türkei, Georgien bis in den Iran führte.

„Das Gespenst von Canterville“ mit Sarah C. Baumann und Frank Geisler, deren schauspielerische Leistung auf gewohnt hohem Niveau einmal mehr überzeugen konnte und das Duo Helm van Hahm / Kai Engelke mit „Musik liegt in der Gruft“, einer musikalischen Krimilesung der besonderen Art, folgten.

Kai Engelke fesselte durch seine ganz besondere Art des Vortrags, gestikulierend, stimmgewaltig, dann wieder leise, immer mit einem ironischen Unterton. Es war diese spezielle Mischung aus Satire und Ernsthaftigkeit, Spaß und Tiefgang, immer mit einer Prise schwarzem Humor. Der zweite, Helm van Hahm, ein Mann von an die 2 Meter, einer der renommiertesten Fingerstyle-Gitarristen, verstand es durch eine außerordentliche Mimik, die zwischen einfältig, kindlich beleidigt, dann wieder schelmisch und spitzbübisch überlegen wechselte, für Lachen zu sorgen. Obwohl Hände wie Baggerschaufeln spielte er mit unglaublicher Fingerakrobatik und einer einmaligen Perfektion Krimimelodien, wie „Der dritte Mann, James Bond, Kommissar Maigret, Tatort, Miss Marple, Olsen-Bande und andere.

Musik liegt in der Gruft

 

Höhepunkt war aber zweifelsohne die große Feier zur Firmengründung am 10. Juni.

Freunde, Bekannte und Kunden waren der Einladung gefolgt, insgesamt fast hundertfünfzig Personen. Das Polyhymnia Mixtett unter der Leitung von Peter Kunz von Gymnich ließ den Abend zu einem unvergesslichen Erlebnis werden. Dem Chor, der mit ca. 30 Sängern und Sängerinnen eine beachtliche Größe aufweist, bereitete es sichtlich Freude, an diesem ungewöhnlichen Ort zu singen. Der Chor begeisterte mit vielen Titeln aus den unterschiedlichsten Genres, wie Volkslieder, Schlager, Musicals, Pop und Spirituals. Ihre ganz besondere stimmliche Begabung zeigte die Sopranistin Szilvia Karacz mit dem Vilja-Lied aus der „Lustigen Witwe“ von Franz Lehár und erhielt dafür lang anhaltenden Beifall.

 

 

Auch ein kleiner Blick in die Geschichte sollte nicht fehlen. Dabei galt das Interesse natürlich dem Jahr 1866. Da war zu allererst der Krieg Preußen – Österreich, der die Landkarte durcheinander wirbeln sollte. Dies betraf in der Folge auch das Großherzogtum Hessen, welches die Gebiete nördlich der Mainlinie verlor. Alfred Nobel erfand in diesem Jahr das Dynamit und Henri Nestle gründete in der Schweiz die gleichnamige Firma, um mit dem Vertrieb von Säuglingsnahrung zu beginnen. Aus der Firmenchronik war es der Anzeigenteil eines Gemeindeblattes aus dem Jahre 1932, welcher die Anwesenden schmunzeln ließ (siehe oben).

 

Nach der Sommerpause startete das zweite Halbjahr mit Kerstin Schäfers „Kirchenkabarett“. Die bibelfeste Wahl-Neu-Isenburgerin betrachtet den kirchlichen Alltag mit den Augen der Kabarettistin und erheitert mit humorvollen Beiträgen aus der Welt der beiden großen christlichen Kirchen.

 

Ein weiteres Highlight im Rahmen der Veranstaltungsreihe zum 150-jährigen Firmenjubiläum war sicherlich der Abend mit Sabine Mehne. Die spannende Schilderung ihrer Nahtoderfahrung, die sie in ihrem Buch „Licht ohne Schatten“, niedergeschrieben hat, war ein eindrückliches Erlebnis.

Im Jahre 1995 wird die Physiotherapeutin aus Darmstadt und Mutter von damals 3 kleinen Kindern schwer krank. Sie merkt sehr schnell, diese Krankheit ist anders, sie hat den Tod im Gepäck. Sie ist abgemagert, fühlt sich elend und hat sehr starke Schmerzen. Noch immer rätseln die Ärzte über die Ursache. Es war jener denkwürdige 14. September 1995, als sie während einer Ultraschalluntersuchung, unbemerkt von den Ärzten das Bewusstsein verliert und realisiert: Ich sterbe. Sie beschreibt, wie sie aus ihrem Körper über den Kopf „aussteigt“. Ihr Leben läuft wie ein Film noch einmal vor ihr ab. Da ist dieses helle, weiche warme Licht, mit welchem sie eins wird. Ein Gefühl des absoluten Geborgenseins, unbeschreiblichen Glücks und tiefen Friedens umgibt sie. Sie hat die Enge des dreidimensionalen Raums verlassen. Aber letzten Endes durch die Bemühungen der Ärzte kehrt sie wieder in ihren Körper zurück und zwar auf demselben Weg, wie sie ihn verlassen hat, über den Kopf. Diese Rückkehr wird als Enge und Hineinzwängen empfunden.

Fortan ist da eine Zerrissenheit, einerseits das wunderbare Gefühl von, wie sie es beschreibt: diesem Licht ohne Schatten, andererseits ist da ihre Familie zu der sich ebenfalls stark hingezogen fühlt. Erst als in einer Fernsehsendung ähnliches berichtet wurde und der Begriff „Nahtoderfahrung“ fiel, begann sie zu verstehen, was da geschehen war. Sie befasste sich intensiv mit diesem Thema und begegnete dabei dem Kardiologen und Nahtodforscher Pim van Lommel. Dieser legte als erster eine umfassende, beweiskräftige Langzeitstudie zu Todesnähe-Erfahrungen vor. Er beschreibt, dass Menschen noch mehrere Minuten ein klares Bewusstsein haben, obwohl binnen 15 Sekunden nach Herzstillstand das Gehirn nicht mehr arbeitet.

Sabine Mehne, die an diesem Abend auch ihr vor kurzem erschienenes, zweites Buch „ Der große Abflug“ vorstellt, möchte durch Aufklärungsarbeit das Thema Nahtoderfahrung bekannt machen. Nach ihren Angaben haben geschätzte 4 Millionen Menschen in Deutschland mindestens einmal nach einem Unfall o.ä. ein derartiges Erlebnis, aber die Betroffenen wagen oft nicht sich mitzuteilen, weil sie Sorge haben, für verrückt gehalten zu werden.

 

Das Jahr 2016 hat insgesamt viele wunderbare Eindrücke hinterlassen, insbesondere, dass man auch in einem Bestattungshaus frohe Stunden erleben und miteinander feiern kann. Aber passt Feiern zu einem Ort, wo es sonst um Trauer und Tod geht? „Wir meinen ja durchaus, denn‚ wer lachen kann, dort wo er hätte heulen können, bekommt wieder Lust zum Leben", sagt Werner Finck (Kabarettist, die Katakombe Berlin)“

 

Das Unternehmen hat sich in über 150 Jahren stetig verändert, zunächst natürlich nur sehr langsam, denn was Bestand hatte, hatte über Jahre, teils über Jahrzehnte Gültigkeit. In der heutigen Zeit, die durch immer schnellere Veränderungen gekennzeichnet ist, ist auch bei uns ein starker Wandel deutlich spürbar.

Der allgemeine Wertewandel, man ist manchmal geneigt von Werteverfall zu sprechen, hat auch vor der Bestattungskultur nicht halt gemacht. Der kulturelle Wandel hin zu einer offenen Gesellschaft ist nirgendwo deutlicher zu spüren als hier.

Wurden die Verstorbenen früher an einem besonderen (friedvollen) Ort, eben dem Friedhof, in der Regel rund um die Kirche beigesetzt, so sind die Dinge heut‘ weit komplexer. Fühlen sich doch zunehmend Menschen in ihrer persönlichen Freiheit eingeengt und widersetzen sich dem „Friedhofszwang“.

Wer hat denn früher Wald-,Almwiesen-, Fluss-, Rheinauen-, Ballon- oder Diamantbestattungen gekannt bzw. in Betracht gezogen? Wer hätte denn seine Angehörigen anonym auf einer grünen Wiese beigesetzt? Seebestattungen waren den Seeleuten vorbehalten.

Ebenso vielfältig wie die Bestattungsformen sind auch die Aufgaben eines Bestattungsinstitutes. Vieles, was früher in den Familien, dem Dorf bzw. von der Kirche geleistet wurde, obliegt heute dem Bestatter. Angefangen vom Ankleiden und Waschen (früher kam in der Regel dazu die sog. Totenfrau) bis hin zu einer Trauerbegleitung, die entsprechendes Einfühlungsvermögen verlangt. Die Betreuung in der Trauer wird an Bedeutung noch gewinnen, denn die sozialen Strukturen, die die Trauernden früher aufgefangen haben, sind nahezu verschwunden und die Glaubensbindungen schwächer geworden. Umfangreicher ist auch die Arbeit an den Verstorbenen, die hygienische aber auch die kosmetische Versorgung, um den Angehörigen eine Abschiednahme am offenen Sarg zu ermöglichen. Das Abschiednehmen am offenen Sarg lässt uns den Tod mit allen Sinnen erfassen, ihn im Wortsinne „begreifbar“ werden. Für die Hinterbliebenen ist das ein wichtiger Schritt der Trauerbewältigung.

Die umfassende Betreuung bezieht auch das Erstellen von Layouts für Traueranzeigen und Karten sowie Danksagungen mit ein, ebenso die Beratung bei der Gestaltung der Trauerfeier, Musik- und Blumenauswahl sowie eine würdevolle Dekoration in der Trauerhalle.

Dazu kommen administrative Aufgaben, wie das Zusammentragen der notwendigen Unterlagen und Urkunden, Behördengänge, Abmelden von Versicherungen und Renten. Kündigungen von Vereinsmitgliedschaften, Zeitungsabonnements, Hausnotrufen und vieles mehr.

 

So ist das Berufsbild heute sehr weit gefächert und wir sind gespannt, welche neuen Herausforderungen die Zukunft noch bringen wird.                           

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